Österreichischer Alpenverein, DAV, WWF Österreich und Naturfreunde Österreich fordern eine Ausweitung des Ruhegebiets „Ötztaler Alpen“. Damit stellen sie sich gegen massive Erschließungspläne wie etwa jene im Pitztal. Die Gletscherverbauung Pitztal-Ötztal war im vergangenen Jahr behördlich zurückgewiesen worden. Völlig überraschend sind jetzt trotzdem neue Pläne bekannt geworden.
„Der Nutzungs- und Erschließungsdruck auf die wertvollen, letzten alpinen Freiräume sind größer denn je“, sagt Andreas Ermacora, Präsident des Österreichischen Alpenvereins. Nun haben der Österreichische und Deutsche Alpenverein sowie der WWF und die Naturfreunde Österreich gemeinsam einen Antrag gestellt und fordern, das Gebiet um den Linken Fernerkogel in das Ruhegebiet „Ötztaler Alpen“ zu integrieren. Ein solches Ruhegebiet hat „neben dem Schutz der Natur auch die Erholung in der freien Natur zum Ziel“ (Land Tirol); denn infrastrukturelle Erschließungen wie Seilbahnen oder Straßen sind dort nicht zulässig.
„Die Tiroler Landesregierung hat 2005 den absoluten Gletscherschutz gelockert und im Jahr darauf festgelegt, dass die Gletscherskigebiete im Ötztal, Pitztal und Kaunertal weiter ausbauen dürfen. Zu diesem Zweck wurde eine flächenhafte Ausweisung von Skigebietserweiterungszonen definiert“, erklärt Andreas Ermacora. „Die Möglichkeit einer konsequenten Unterschutzstellung besonderer Flächen hat in der Tiroler Landesentwicklung einen besonderen Stellenwert. Für das Gletscherbecken um den Linken Fernerkogel ist dies zum jetzigen Zeitpunkt die einzige Maßnahme mit einem endgültigen Lösungscharakter“, erklärt außerdem Andreas Schieder, der Vorsitzende der Naturfreunde Österreich.
Bindender Schutz für verbleibende Naturräume notwendig
Wie wichtig ein verbindlicher Schutz für verbleibende Naturräume ist, zeigt die aktuelle Erschließungswelle. Alleine in den Ötztaler Alpen werden derzeit drei Großprojekte geprüft: Die Erweiterungen der Skigebiete im Pitztal und im Kaunertal (ORF-Bericht vom 17.2.2023) sowie die Erweiterung des Wasserkraftwerks Kaunertal. Sie dringen in bislang unerschlossene Gebiete und Geländekammern vor, zerstören Gletscher und Moorflächen. „Als Naturschutzverbände stellen wir uns klar gegen diese zerstörerischen und kurzsichtigen Großprojekte“, sagt Ann-Kristin Winkler, Alpenschutz-Sprecherin beim WWF Österreich. „Wir brauchen die Natur als starke Partnerin im Kampf gegen die Klima- und Biodiversitätskrise. Alpine Freiräume bieten wichtige Rückzugsgebiete für Flora und Fauna, fungieren als CO2-Senken und liefern wichtige Ökosystemdienstleistungen wie zum Beispiel sauberes Wasser.“
Jahrelanger Einsatz für den Erhalt des Linken Fernerkogels
Das Gebiet um den Linken Fernerkogel steht seit Langem im Visier der Skigebietsbetreiber: 2016 wurde der Zusammenschluss der Skigebiete Pitztal und Ötztal beantragt, erst im Herbst 2022 wurden die Pläne von der Behörde endgültig zurückgewiesen. „Nach dieser Absage sehen wir uns in unseren Forderungen erneut bestätigt“, betont Andreas Ermacora, Präsident des Österreichischen Alpenvereins. „Unser Wunsch für die Ausweitung des Ruhegebiets Ötztaler Alpen ist gute 20 Jahre alt. Deshalb freuen wir uns, dass wir nun in einer so breiten Allianz für den Erhalt der Gletschergebiete rund um den Linken Ferner Kogel eintreten. Die geforderte Erweiterung des Ruhegebiets würde ein Umdenken im Wintertourismus besiegeln.“
Die Erweiterung des Ruhegebiets stünde nicht nur für eine notwendige Neuorientierung des Wintertourismus, sondern auch für den Schutz der Hochgebirgsnatur: „Das Gletscherbecken um den Linken Fernerkogel ist ökologisch hochwertig, hat gegenüber der fortschreitenden Lebensraumzerschneidung einen wichtigen Brückencharakter, und ist dauerhaft durch einen extremen und nicht rechtfertigbaren Erschließungsdruck bedroht. Einen konsequenten Schutz ausgerechnet in diesem eindeutigen Kontext nicht zur Anwendung zu bringen, hätte einen bedauerlichen Charakter, und würde die Seriosität aktueller Umweltpolitik grundlegend in Frage stellen“, so der Bundesvorsitzende der Österreichischen Naturfreunde Andreas Schieder.
Naturnaher Tourismus in Gefahr
Die neu eingereichten Pläne der Skigebietsbetreiber verhindern eine zukunftsorientierte Ausrichtung der Region auf naturnahen Bergsport. DAV-Präsident Roland Stierle: „Der Ausbau soll weitere Geländekammern für den Alpinski-Tourismus erschließen und damit einen wichtigen Stützpunkt für naturverträglichen Bergsport zerstören. Die Braunschweiger Hütte liegt beispielsweise an der beliebtesten Alpenüberquerung entlang des europäischen Fernwanderweges E5 und sie ist ein wichtiger Stützpunkt für Hochtouren und Ausbildungskurse im Bergsport“. Die geplante Seilbahnstation soll nur wenige Höhenmeter unterhalb der Braunschweiger Hütte des DAV liegen, die neuen Pistenflächen würden das jetzige Hochtourengebiet vernichten.
Dauerbaustelle statt Naturerlebnis
Für die Naturschutzverbände ist eine Neuerschließung von Gletscherflächen in der heutigen Zeit nicht vertretbar. Die Klimakrise setzt den Gletschern zu: Milde und niederschlagsarme Winter bedeuten, dass sie im Sommer kaum Schutz haben – sobald der Schnee weggetaut ist, schmilzt das Eis. „Die Gletscherzungen ziehen sich im Schnitt jedes Jahr um 20 bis 30 Meter zurück, und auch die Dicke nimmt ab“, weiß Stierle.
„Durch die ständigen Landschaftsveränderungen wäre es mit dem Liftbau nicht getan. Jeden Sommer wären dann unter anderem Planierungsarbeiten im Gletschervorfeld nötig, um eine Pistenpräparierung und Skibetrieb im Winter überhaupt zu ermöglichen. Dann heißt es Dauerbaustelle statt Naturerlebnis“. Dasselbe Problem trat schon bei den alten Planungen zum Zusammenschluss zu Tage: Innerhalb des Planungszeitraums (2015 bis 2019) haben sich die Gletscherflächen so stark zurückgezogen, dass die ursprünglich angedachten Pistenflächen und Skiwege nicht mehr realisierbar waren.